Rothirschjagd in Chile gilt als Geheimtipp. Lucas v. Bothmer war vor Ort um in einem Land auf den Brunfthirsch zu waidwerken, das in Teilen als Jagdparadies bezeichnet werden kann. Landschaft, Rotwein und Vegetation suchen ihresgleichen.
Im Jagdland der Gegensätze
Der Fahrtwind bläst mir durch die klebrigen Haare, die Klimaanlage ist natürlich kaputt. Erbarmungslos knallt die Sonne durch die Frontscheibe des klapprigen Mietwagens. Wir haben noch 500 Kilometer vor uns, und im Rückspiegel sehe ich genauso verwegen und übermüdet aus, wie ich mich fühle. Auf dem Beifahrersitz schläft meine Freundin, ich kann sehen, wie ihre hübschen Augenlider nervös zucken. Wahrscheinlich verarbeitet sie ihre ersten Jagderlebnisse, ähnlich einem jungen und friedlichen Labrador, den sein Ausbilder in den eiskalten Teich geprügelt hat. Friedlich fühle auch ich mich. Denn ich habe genug erlegt. Genug der Rothirschjagd. Was für eine Woche! Was für Eindrücke.
Südamerika - ein Paradies für die Rothirschjagd
Sechs Tage sind wir erst durch Chile, dann durch Argentinien gereist – und in so kurzer Zeit haben wir mehr alte Hirsche gesehen als daheim in über dreißig Jahren. Wir sind mit dem Hubschrauber über Vulkane geflogen, haben auf Brunftplätzen übernachtet, durften von großen Jägern lernen, sind durch das Paradies gepirscht, haben weit geschossen, mühsam geborgen und uns mächtig verschätzt. Wir haben alle aberwitzigen Annehmlichkeiten, welche die Globalisierung dem neugierigen Auslandsjäger heutzutage entgegenstreckt, mit beiden Lungenflügeln eingesogen und sind nun, leicht reizüberflutet, äußerlich müde und innerlich total aufgewühlt, auf dem Rückweg in die Normalität. Ich versuche, meine Erinnerungen zu strukturieren, was recht leicht fällt, weil die beiden Jagdländer, die ich gesehen habe, so verdammt unterschiedlich sind.
Chile aus der Luft
Beginnen wir mit Chile. Den Anfang machte ein Hubschrauberflug über die Anden. Da Bilder manchmal mehr sagen als Worte, schauen Sie einfach in die untere Galerie. Dieser Vulkan heißt Villarrica und ist im Jahr 2015 zuletzt ausgebrochen. Wenn man auf ihm landet, spürt man die heiße Lava in seinem Inneren. Die Wärme auf seiner Oberfläche durchzuckte uns freundlich – und ebenso instinktiv spürte ich die eigene Ohnmacht im Angesicht der Schöpfung. Wir schauderten, flogen sprachlos weiter.
Deutsche Wurzeln
Während der sieben Flugminuten auf dem Weg in den Garten des Jagdhauses überflogen wir eine heiße Quelle. Diese gehört zum Besitz und ist die Badestelle der Familie von Conta, welche dort in den Ferien regelmäßig hinfliegt. All das ist das Reich des Lalo von Conta, eines sympathischen und bescheidenen Rinderbarons, der sich den Luxus leistet, in seiner Freizeit Rotwildhege nach deutschem Vorbild zu betreiben. Er selbst stammt aus einer der zahlreichen deutschen Auswandererfamilien, die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Chile kamen.
Waidgerechtigkeit nach deutscher Tradition
Die Waidgerechtigkeit spielt in seinem Leben eine ebenso große Rolle wie die Hege. „Das Wild hat bei uns etwa 355 Tage im Jahr Ruhe“, sagt er. An den übrigen Tagen jagt er mit seinen Freunden Kahlwild und kronenlose Hirsche, vornehmlich im chilenischen Winter, was dem deutschen Hochsommer entspricht. „Die reifen Trophäenträger verkaufen wir, aber erst, wenn sie auf dem Zenith ihrer Geweihbildung angekommen sind.“ Dabei ist von Conta aber kein klassischer Veranstalter, denn er muss von der Jagd nicht leben, und das sagt er auch ganz offen.
Rothirschjagd in Chile - kapitale Hirsche
Er freut sich, wenn Gäste zur Rothirschjagd kommen, solange die seine Gastfreundschaft zu schätzen wissen. „Man merkt schon Unterschiede in der Jagdethik. Manchmal kommen Amerikaner hierher, für die zählt mehr der Schuss als das Erlebnis. Aber auch diese Leute können wir hier steuern“, sagt von Conta. Obwohl er wahrlich kapitale Hirsche auf seinen 2.000 Hektar erntet, verzichtet er auf Zusatzfutter.
Die Hirsche - endenreich und stangig
Die Hirsche sind enorm endenreich und können auch sehr dickstangig sein, punkten relativ hoch, sind aber vergleichsweise leicht. Wenn ein Hirsch die zehn Kilo überschreitet, dann ist das in dem Revier Rupanquito die Ausnahme. Dort füttert man zwar das Rotwild nicht, hat aber sehr wohl in die Natur eingegriffen. Mit Baumfräsen hat Besitzer Lalo von Conta hunderte Hektar saftiger Wiesen in die urwaldartige Landschaft am Ufer des Lago Villarrica verpflanzt. Ein Anblick, bei dem Jägerherzen höher schlagen.
Anblick selbst beim Mittagessen
Während des Mittagessens im mondänen Jagdhaus lassen sich Brunftrudel beobachten und diverse kämpfende Recken in der Weite der Wiesen ausmachen. Insgesamt haben wir drei Tage in diesem Jagdparadies verbracht. Es ist dort zwar möglich, den ganzen Tag zu pirschen, dennoch haben wir uns auf die Morgen- und Abendpirsch konzentriert. Das Rotwild benimmt sich dort wie das, was es ist: ein Steppentier.
Die Rotwildjagd in Chile
Wer einmal in Deutschland bei der Rotwhirschjagd versucht hat, einen Brunfthirsch zu erlegen, wird es wissen: daheim heißt das sitzen, warten, den Wind beachten und bloß nicht das aus- oder einwechselnde Kahlwild vergrellen. Schuld an der überwiegenden Nachtaktivität unserer größen Wildart sind bekanntlich permanente Unruhe, Nordic Walker, Reiter, Pilzsammler und natürlich auch wir Jäger. In Robanco, in Chiles zehnter Region, ist das alles anders. Die wohl mit Abstand bedeutendste Erkenntnis aus unserem chilenischen Jagdabenteuer war nämlich diese: Rotwild ist so dankbar – wenn man es nur lässt.
Der ungerade Vierzehnender
Als wir eines Morgens zu einem wunderschönen Hochsitz pirschen, können wir gleich vier verschiedene Brunftplätze auf einmal einsehen. Die meisten Hirsche dort sind aber noch etwas jung, da die Alten in diesem Jahr schon von anderen Gästen erlegt wurden. Da taucht hinter einem Zaun auf 300 Meter ein alter, einsamer Hirsch auf, der immer wieder meldet. Mein Begleiter mahnt ihn an. Und siehe da: Der ungerade Vierzehnender überfällt den Zaun und zieht parallel zu uns. Als er auf 160 Meter verhofft, erlege ich ihn, und verspüre zugleich Aufregung und Demut. Demut vor der eigenen Vergänglichkeit. Und vor dieser Kulisse.
Unsere Ausrüstung zur Jagd
- Waffe: Natürlich lässt sich ein Waffentransport gewährleisten.Aber deutlich einfacher ist, sich eine Blaser-Waffe im Revier zu leihen.
- Munition: In Chile wurde mit einer Büchse im Kal. .308 gejagt, was sich als ausreichend erwiesen hat.Denn wichtiger als das Kaliber ist der Treffersitz. Verschossen wurden Hornady Superperformance 150 gr. GMX.
- Kleidung: Leichte Kleidung, winddicht sollte sie sein, stabile Schuhe, die Pirsch ist hier die Hauptjagdart.Bloß keine Einzelkämpfer-Ausrüstung mitschleppen!
Buchung und Anreise
- Anreise: Flüge müssen erst nach Santiago de Chile und dann zum Chapelco Flughafen
bei der Ortschaft San Martín de Los Andes gebucht werden.Der nächste, etwas südlichere und größere Flughafen heißt Bariloche. Der Zielflughafen ist in jedem Fall Osorno im Süden des Landes. Abholung mit dem Auto am Flughafen und Transfer ins nur 60 Kilometer entfernte Jagdrevier. - Unterbringung: Das Quartier und die Verpflegung entsprechen höchstem Jagdreise-
Level. Das Quartier liegt über dem Revier mit einmaligem Panorama.Von dort aus kann zu Fuß losgepirscht werden oder mit dem Auto. Logistik und Verpflegung lassen keine Jägerwünsche offen. - Reisezeitraum: Die Jagdzeit ist limitiert zwischen Anfang März und Ende April 2017.