HuntInMotion hatte vor der Murmeltierjagd in Österreich schon einiges mitgemacht. Gefühlte Ewigkeiten ist er durch den Dickbusch Namibias gepirscht, ist durch die Prärie Wyomings gerobbt, hat bei -25 Grad an Drückjagden teilgenommen und bei +40 Grad angesessen - aber nichts war bisher so anstrengend wie die Jagd auf das Murmeltier.
Sauwetter im Ötztal
Wir hätten es wettermäßig kaum schlechter erwischen können. Als mein Jagdkumpel Klaus und ich uns mit unserem Jagdführer Michael morgens um 5:30 Uhr in Umhausen im Ötztal treffen, nieselt es fein und von den Bergen ist, obwohl schon leicht der Morgen graut, wegen dickstem Nebel nichts zu sehen. „Ihr wollt da heute wirklich rauf, bei dem Sauwetter?“, begrüßt uns Michael. Mit dem „Wollen“ ist das so eine Sache; es ist Ende August, aber richtig kalt und ungemütlich – ein Wetter, um die Decke über den Kopf zu ziehen und sich nochmal im Bett umzudrehen. Aber jetzt sind wir nun einmal hier, weit gefahren, und so sind wir fest entschlossen, uns von diesem Wetter den Jagdtag nicht verderben zu lassen. Mit dem Geländewagen geht es zunächst über Forstwege bergauf bis auf etwa 1.800 Meter; hier stellen wir den Wagen ab und gehen zu Fuß weiter.
Querfeldein auf der Murmeltierjagd in Österreich
Es hat stärker angefangen zu regnen, was für uns zwar sehr ungemütlich ist, den Nebel aber ein wenig ins Tal drängt, so dass die Sicht hier oben ein klein wenig besser ist als unten im Tal. Weiter als 100 Meter beträgt sie aber auch hier nicht. Wir nehmen einen kleinen Wanderweg weiter bergauf, bis wir nach etwa einem halben Kilometer auf ein Schild treffen: Wanderweg gesperrt! Brücke defekt! „Wir müssen querfeldein weiter“, meint Michael trocken und so stapfen wir los. Es geht steil bergauf, aber es ist noch sehr bewaldet, so dass wir uns an den Stämmen der Lärchen und Zirben gut festhalten, abstützen oder hochziehen können. Etwa eine Stunde dauert diese Tortur bergauf, bis wir völlig durchnässt und schweißgebadet die erste Pause einlegen. „Ein Viertel des Weges haben wir schon geschafft“, höre ich Michael sagen und bin mir nicht ganz sicher, ob da nicht ein ironischer Unterton mitschwingt.
Schwindende Hoffnung
Zwischenzeitlich lichtet sich der Nebel mal, aber unsere Hoffnung schwindet jedes Mal wieder, sobald es sich wieder zuzieht. Es geht weiter, weiter bergauf und nach einigen hundert Metern, die sich wie Kilometer anfühlen, haben wir die Baumgrenze erreicht. Ich erinnere mich schwach aus meinen früheren Bergtouren, dass man jetzt eigentlich einen grandiosen Ausblick haben müsste, aber um uns herum ist nichts als graue Suppe, man erkennt gerade, dass es zur einen Seite bergauf und zur anderen bergab geht. „Das Problem wird sein, einen bewohnten Bau zu finden dort oben“, scheint Michael meine Gedanken erraten zu haben. Es hilft nichts, wir müssen weiter.
Felsen und Geröll
Der Regen wird weniger und die Sicht wird ein klein wenig besser, besonders viel Hoffnung macht sich bei uns dennoch nicht breit. Als wir nach weiteren zwei Stunden bergauf einen kleinen Gebirgsbach überqueren, ändert sich die Landschaft schlagartig, die Almrosen-Stauden, die vorher den Boden bedeckten und das Gehen zur Qual gemacht haben, werden hier oben von Gräsern, Moosen und Flechten abgelöst, so dass wir nun etwas schneller vorankommen, so gut es die Kondition eben noch zulässt. Überall liegen Felsen und Geröll und in Verbindung mit dem Nebel fühlen wir uns eher wie auf dem Mond als in den Alpen, aber – dies ist das Refugium der Murmeltiere und wir sind angekommen. Klaus hatte die längere Anreise und so haben wir uns schon vor dem Aufstieg geeinigt, dass er zuerst versuchen soll, einen Murmel zu erlegen. Wir setzen uns hinter einen Felsbrocken und machen erst einmal Vesper, immerhin ist es schon fast Mittag und der Aufstieg war kräftezehrend.
Schwere Entfernungsschätzung
Noch während wir unsere Brote auspacken, glast Michael das Gelände ab und entdeckt knapp 100 Meter vor uns zwei Murmel, die auf ihrem Bau sitzen. Klaus, der grade in sein Brot beißen will, macht sich schnell schussfertig, wartet auf Anweisungen. Michael hat die beiden Tiere im Glas und gibt Klaus den linken frei, doch just in dem Moment, in dem das Absehen auf dem Ziel ist, zieht eine Nebelbank herein und in Bruchteilen von Sekunden sind die Murmeltiere und auch der gesamte Bau nicht mehr zu sehen. Klaus bleibt in Position, aber als 10 Minuten später der Nebel dünner und die Sicht besser wird, sind die Murmeltiere verschwunden. Das gibt uns allerdings die Gelegenheit, näher an den Bau heranzupirschen und die Schussentfernung zu verkürzen. Wir umschlagen den Bau im 90-Grad-Winkel und sind nun auch auf 55 Meter herangekommen, so sagt es jedenfalls der Entfernungsmesser, denn im Nebel ist es unglaublich schwer, Entfernungen abzuschätzen – alles wirkt viel weiter entfernt, als es in Wirklichkeit ist.
Eine wohlverdiente Zigarette auf der Murmeltierjagd in Österreich
Wir liegen nun etwas erhöht im nassen Gras, was keine wirklich gemütliche Position ist, aber von hier haben wir den besten Überblick. Die Zeit verstreicht, Nebelbänke ziehen durch, die ab und zu den Blick auf den Bau verhindern. Klaus harrt tapfer weit über eine halbe Stunde liegend im Anschlag aus und ich, der etwas weiter entfernt in einer halbwegs bequemen Position sitzen kann, beneide ihn wirklich nicht. Doch plötzlich, der Nebel hat sich kurz verzogen, kommt ein Murmel in Anblick, etwa 10 Meter von der Stelle entfernt, an der Klaus und Michael es erwartet haben. Klaus muss seine Position korrigieren, eine Bewegung, die dem aufmerksamen Tier nicht entgeht. Fast gleichzeitig zerreißen der schrille Warnpfiff des Murmels und der Schuss die Stille und letzterer bannt das Murmeltier an seinen Platz. Was heute Morgen im Tal noch keiner wirklich für möglich gehalten hatte, ist nun also doch passiert – Klaus hatte Waidmannsheil und kann sich nun endlich die wohlverdiente Zigarette anzünden, die ihm den ganzen Aufstieg lang so gefehlt hatte.
Umschlagen des Baus
Jetzt bin ich an der Reihe und mich packt der Jagdeifer, denn noch vor einer Stunde hatte ich nie und nimmer damit gerechnet, dass ich als zweiter Schütze hier oben bei diesen äußeren Bedingungen auch eine Chance erhalten sollte. Wir halten uns an denselben Bau, denn Michael hat den von Klaus erlegten Murmel als keinen von den beiden zuerst gesehenen angesprochen. Wieder umschlagen wir den Bau um 90 Grad und finden in etwa 80 Metern Entfernung einen Felsbrocken, hinter dem es sich bequem sitzen und warten lässt. Der Nebel ist aber wieder dichter geworden und so sehen wir den Bau erst einmal gar nicht, was sich auch die nächsten 40 Minuten nicht ändert. Zum Glück kann ich hier bequemer warten, als Klaus es vorher im Moos liegend konnte, daher gehe ich den Ansitz etwas entspannter an.
Absehen auf dem Murmel
Das ändert sich aber schlagartig, als sich der Nebel verzieht und sich deutlich oben auf dem Bau die Konturen zweier Murmeltiere abzeichnen. „Der linke ist der Bär“, raunt mir Michael zu und so nehme ich diesen ins Fadenkreuz. Das Absehen ist im Ziel und auch mein Murmel liegt im Schuss. Ich repetiere, bleibe auf dem Ziel, denn wie schnell ist so ein Murmeltier doch noch im Bau verschwunden! Aber alles bleibt ruhig weshalb ich nach zwei Minuten die Waffe sichere. Von uns allen fällt die Anspannung ab – Klaus und ich strahlen beide übers ganze Gesicht und auch Michael ist anzusehen, wie froh er über den doppelten Jagderfolg ist, der unter so widrigen Wetterbedingungen hart erarbeitet worden ist.
Ein zünftiger Muskelkater
Nach dem obligatorischen Fototermin machen wir uns, die Beute geschultert, an den Abstieg, der mir noch steiler, noch länger und noch nasser vorkommt als auf dem Hinweg, und mehr als einmal müssen wir einige Bergpassagen auf dem Hosenboden rutschend bewältigen. Nach drei Stunden haben wir das Auto erreicht, aber einige Blasen an den Füßen und ein zünftiger Muskelkater werden mich noch einige Zeit sehr intensiv an dieses tolle Jagderlebnis erinnern.