Auf einer gemeinsamen Gamsjagd in den Tiroler Bergen erleben zwei Jagdfreunde spektakuläre Landschaften, anstrengende Pirschgänge und eine schweißtreibende Bergung. Doch eines nach dem anderen. Mitjäger Dr. Florian Gamper berichtet.
Glück und Misserfolg in den Bergen
Hubi und ich kennen uns seit Jahren und sind enge und echte Freunde. Wir haben schon gemeinsame Jagdgänge erlebt und wissen, dass Glück und Misserfolg sich bei der Gamsjagd in Tirol abwechseln, wie der Nebel mit dem Sonnenschein. Was aber in Hubertus’ Erfahrungsschatz fehlte, war eine alpine Gamsjagd in meinen Tiroler Bergen. Er kannte die aufregenden Geschichten, die ihm Bergjäger über die Gamsjagd im Alpenhauptkamm erzählten. Mit seinem steilen Gelände, den engen Schluchten und exponierten Berghängen ist es wohl eines der anspruchsvollsten Reviere in den Alpen. Bei einem Abend in geselliger Runde bekräftigte ich das Versprechen für eine gemeinsame Gamsjagd in dieser Region per Handschlag.
Erste Morgenpirsch
Nach dem ersten Abend, der mehr von Biersch, als von Pirsch geprägt war, machen wir uns im Morgengrauen auf den Weg ins Revier am Alpenhauptkamm. Langsam und im Pendelschritt, den ich schon in jungen Jahren von den alten Bergjägern gelernt habe, steigen wir durch den steilen Wald in das Almgebiet hinauf. Nach schweißtreibenden 600 Höhenmetern Aufstieg wird der Untergrund felsiger und die Wege werden zu ausgesetzten Pfaden. Die Waldgrenze, hier auf etwa 2.000 Meter Meereshöhe, ist bereits überwunden, und die ersten wärmenden Sonnenstrahlen erhellen das Tal. Endlich Zeit für eine kleine Rast. Das ist der Reiz, aber auch die Herausforderung der Gebirgsjagd für Flachlandjäger, die nur ebene und leicht kupierte Fluren und Felder gewohnt sind. Das Gelände wird hier erst oberhalb der Waldgrenze übersichtlich.
Gamsjagd in Tirol – die frühen Morgenstunden
Unser Haupt liegt im Nacken, und mit dem Gugger spähen wir in der Vertikalen, in den steilen Wiesen und Rinnen nach Gamswild. Leise flüstere ich meinem Spezi auf der Gamsjagd in Tirol zu: „In den frühen Morgenstunden sind die meisten Gamsen äsend anzutreffen, nach einigen Stunden ist eine allgemeine Ruhephase zu verzeichnen. Zwischen dem späten Vormittag und dem frühen Nachmittag gibt es noch drei bis vier Phasen einer Äsungsaufnahme. Erst zur Abendäsung erreicht die gemeinsame Äsungssuche die hohe Beteiligung wie in den Morgenstunden. Im Winter fällt die Hauptäsungsaktivität auf die Mittags- und Abendstunden. Die Unterschiede sind durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass das Wild im Winter die Sonne bevorzugt, im Sommer die Hitze aber meidet.“
Spektakulärer Anblick
Wir kauern an einem felsigen Vorsprung und sehen etwa 200 Meter entfernt im Hang Gamswild äsen. Es sind drei Geißen und zwei mittelalte Böcke. Der Wind steht gut, und das Kleinrudel zieht lang-sam weiter. Gamswild verfärbt seine Decke zweimal pro Jahr; im Frühjahr und im Herbst. Die Sommerdecke besitzt je nach Alter kürzere, fahlgelb gefärbte Grannenhaare, der Aalstrich, vom Haupt über den Rücken bis zum Wedel, die Läufe, die Bauchseite und die Zügel am Haupt sind dunkel bis schwarz gefärbt. Alte Gamsen haben verwaschene Zügel. Wir bleiben am exponierten Standort, und ich bemerke, dass Hubi etwas unruhig ist. Ich merkte ihm den schweren Atem an. War es der Jagdrausch, die Höhe oder das steile Gelände? Das Rudel zieht langsam weiter und verschwindet hinter einer ausgesetzten Schulter.
Der alte Abnorme
Wir wechseln lautlos den Standort und steigen über einen schmalen Pfad auf eine Kuppe, von wo wir eine gute Einsicht auf das Gelände haben. Mit dem Gugger glasen wir die Felsen ab und erspähen oben in den Felsblöcken rund 300 Meter entfernt vier Geißen mit ihren Kitzen. Auf einem Band etwas unterhalb, bei den letzten Zirben, steht ein Gamsbock. Rasch nehme ich mein Spektiv zur Hand und sehe einen alten, abnormen Bock. Der linke Schlauch der Krucke strebt durch eine wahrscheinlich alte Verletzung (Absturz oder Steinschlag) ungewöhnlich nach vorn. Nun packt mich selbst das Jagdfieber.
Tiefes Durchatmen auf der Gamsjagd in Tirol
Bald quert er den Wechsel und steht 300 Meter vor uns. Hubi spürt meine Aufregung. „Gott sei Dank befindet er sich unterhalb des Geißrudels und steht breit. Mach dich für den Schuss bereit, Hubi“, sage ich entschlossen. Hubertus ist ein routinierter Schütze. Geistesgegenwertig legt er die Waffe auf meine Schusssäcke, somit sind Vorder- und Hinterschaft in absolut stabiler Lage. Der Ballistikturm ist eingestellt. Hubertus atmet durch.
Eine Frage des Alters
Der Bock steht breit. Die Kugel fliegt aus meiner .30-06. Der Knall hallt in den steilen Felswänden. Der Bock bricht im Schuss zusammen. Das kleine Rudel springt kurz auseinander, verhofft und äst dann aber gemächlich weiter. Sprachlos liegt Hubi neben mir und erholt sich von der Anspannung. Mir geht es genauso. Ein wenig besorgt schaut er mich an und fragt: „Und nun?“ Wir schauen uns an und wissen beide, dass dieser Moment uns ewig begleiten wird. „Waidmannsheil, mein Freund“, sage ich. „Waidmannsdank, mein Freund“, antwortet mir Hubi. Er streift suchend in der Hemdtasche und zieht zwei Zigaretten heraus, die wir uns ins Gesicht stecken und genüsslich rauchen. Unser Blick schweift zum Gamsrudel, das langsam wegzieht. Wir verweilen eine Weile und dann machen uns auf den Weg, den Bock zu bergen. Hubertus ist gelöst und wie immer sehr redselig. Meine Gedanken sind allerdings ausschließlich auf den erlegten Gams konzentriert. Wie alt wird er wirklich sein?
Ein Gefühl der Demut
Am Bock angekommen, lobe ich den perfekten Schuss und zähle die Jahres-ringe am Schlauch. Es ergreift mich ein tiefes Gefühl der Demut. Der Bock ist passend zwölf Jahre alt und jetzt im August noch teilweise im Winterhaar. Die Bruchübergabe, letzter Bissen und das Aufbrechen gehen rasch vonstatten. Mit Staunen schaut mich Hubi an, der immer noch sein „Militärkäppi“ am Haupt trägt und mich bei diesen traditionellen Ritualen beobachtet. „Und jetzt?“, fragt Hubi. „Waidmannsheil, Hubi – des pock’n mir a no (das schaffen wir auch noch).“ Eine Umarmung. Nun beginnt ein weiterer anspruchsvoller Teil der Gamsjagd. Die Bergung und der Abtransport ins Tal. Der erlegte Gamsbock wiegt aufgebrochen gut 25 Kilogramm. Sorgfältig packe ich ihn in den Schweißsack und hebe ihn im Rucksack Hubi auf die Schultern bei der Gamsjagd in Tirol. Die Sonne steht nun hoch, und schweigend machen wir uns auf den Rückweg. Hubertus balanciert am steilen Pfad, und ich lehnte mich hangseitig in meinen Bergstock, und wir steigen sicheren Schrittes, mit dem beuteschweren Rucksack beladen, in Richtung Tal.
Die Alpengams
- Die Gamsböcke erreichen ein Gewicht bis 35 Kilogramm, die Geißen hingegen bis 25 Kilogramm.
- Kennzeichnend ist im Sommer die fahlgelbe bis bräunliche Decke mit dunklem Aalstrich. Im Winter färbt sich diese dunkelbraun bis schwarz.
- Die spektakuläre Brunft findet im November und Dezember statt.
- Für eine Geiß beträgt die Tragzeit in etwa 26 Wochen.
- Gesetzt wird das einzelne Kitz ab Mitte Mai bis Mitte Juni. Im Anschluss folgt eine Säugezeit von etwa sechs Monaten.
- Die Äsung der Alpengams besteht im Wesentlichen aus Gräsern, Kräutern, Trieben und Blättern von Laubhölzern und Sträuchern, Nadeln von Nadelbäumen und Flechten.
- Größte natürliche Feinde sind der Luchs, der Wolf und der Steinadler.
- Wie der Name bereits verrät, ist die Alpengams vor allem im Alpen- und Alpenvorraum beheimatet und verbreitet.
Die Trophäe
Die Krucke der Geiß ist etwas dünner und oben nicht so stark gehakelt als die des Bocks. Der Querschnitt der Schläuche ist beim Bock eher kreisrund und bei der Geiß eher oval. Das Hauptkruckenwachstum ist mit dem fünften Jahr abgeschlossen, und die Trophäe nimmt nur mehr sehr wenig an Höhe und Stärke zu, sie wächst nur mehr wenige Millimeter pro Jahr (Millimeterringe). Die Schläuche können bis 30 Zentimeter lang werden und einen Umfang von neun bis zehn Zentimeter an der Basis aufweisen.
Gamsjagd in Tirol – der Lebensraum
Das Gamswild kommt in allen Gebirgsregionen vor, vor allem oberhalb der Waldgrenze. Das weibliche Wild steht mit den Kitzen in Rudeln zusammen. Auch die jüngeren Böcke bilden Rudel, nur die mittelalten und alten Böcke leben als Einzelgänger. Im Sommer bevorzugt das Gamswild die schattenseitigen Lagen, im Winter die sonnenseitigen. Bei hoher Schneelage zieht es in tiefere Lagen. Einzelne Böcke halten sich in Latschenfeldern (Latschenböcke) oder im Wald (Laubböcke) auf.